Paartherapie – Die geheimen Mitspieler

Was sind geheime Mitspieler?

Portrait Anette Paffrath, Psychotherapeutin in Düsseldorf-Bilk

Geheime Mitspieler sind weitestgehend unbewusste, unreife Anteile unserer Persönlichkeit, die sich aus bestimmten biographischen Einflüssen heraus entwickelt haben. Diese geheimen Mitspieler hatten mal eine wichtige Funktion, sie haben uns geschützt und geholfen. In Lebenssituationen, in denen wir abhängig waren und nicht frei wählen konnten, zum Beispiel in der Kindheit und Jugend.

In der Vergangenheit machte das Verhalten dieser unreifen zum Kind oder Jugendlichen Ich gehörenden Anteile Sinn. Es kann aber durchaus sein, dass das Verhalten dieser Anteile in unserer aktuellen Lebenssituation nicht hilfreich und sinnvoll ist. Solange uns diese Anteile nicht bewusst sind und im Geheimen wirken, können sie uns als Erwachsene blockieren oder dominieren. Wer kennt nicht das Gefühl, „ja vom Kopf her ist mir klar, dass ich mich anders verhalten muss, aber wenn die Situation da ist, kann ich mich gar nicht anders verhalten, es ist wie ein Zwang. Ich kann mein verhalten nicht steuern”. In Situationen, in denen wir uns fast fremdgesteuert, blockiert fühlen und das Gefühl haben, ich kann mich nur in dieser Weise verhalten, bestimmen die emotionalen, nicht entwickelten Anteile unserer Persönlichkeit unser handeln. Jeder Mensch nimmt aus seiner Entwicklung unreife Anteile mit, die in der Partnerschaft aktiv werden.

Beispiel – der geheime Mitspieler Eifersucht

„Ich war als Kind eher ein Außenseiter, Ich hatte kaum Freunde. Es fällt mir schwer, mich fallen zu lassen und zu vertrauen. Ich vergleiche mich viel mit anderen und habe wenig Selbstwertgefühl. Dabei sehen mich viele Menschen heute ganz anders. Sie geben mir die Rückmeldung, dass ich Stärke und Selbstbewusstsein ausstrahle. Ich kann das nicht glauben. Ich fühle mich manchmal wie eine „Mogelpackung”, so als würde ich heute etwas darstellen, das ich in Wirklichkeit nicht bin.”

Der geheime Mitspieler Eifersucht, hat wenig Selbstwertgefühl und fühlt sich deshalb von anderen Menschen emotional abhängig. Er sehnt sich nach Bestätigung und ist nicht fähig, Selbstbestätigung für die eigenen Stärken und Fähigkeiten, unabhängig von der Meinung anderer, aufzubauen. Er zweifelt die Liebe in der Partnerschaft eher an, glaubt, dass er sowieso wieder enttäuscht wird und dass er ersetzbar ist.

Wenn dieser geheime Mitspieler im Schatten wirkt, boykottiert er die Entwicklung der Partnerschaft auf einer Basis von Respekt und Gleichwertigkeit. Je mehr der Partner oder die Partnerin Vertrauen geben und die Liebe bestätigen, um so mehr können unbewusst die Ängste des geheimen Mitspielers Eifersucht wachsen. Je stärker er den Partner erlebt, um so verletzlicher und kleiner fühlt er sich. Dieser unreife Anteil wird von den Liebesbeteuerungen des Partners immer abhängiger und wird jede Gelegenheit nutzen, diese zu bekommen. Es kann zu einem getriebenen Suchen nach Bestätigung durch den Partner kommen, in dem Situationen inszeniert werden, in denen der Partner seine Liebe bestätigen muss. Je mehr der Partner jedoch auf diese Liebesbeteuerungen eingeht, um so stärker werden die unbewussten Verlustängste des geheimen Mitspielers, um so mehr Sicherheit muss er einfordern. Denn diesen wertvollen Menschen verlieren zu können, ist für diesen unreifen Anteil so bedrohlich, das er glaubt, ohne den Partner nicht mehr leben zu können.

Die Erkenntnis, das zum Beispiel der geheime Mitspieler Eifersucht in einer Beziehung die Interaktion in der Partnerschaft dominiert, ist hilfreich, um im offenen, ehrlichen, vertrauensvollen Gespräch mit dem Partner gemeinsam herausfinden zu können, wie dieser unreife Anteil in der Beziehung wachsen und unabhängiger werden kann, ohne dass er die Geduld des Partners zu stark strapaziert. Wenn einer der Partner in einer Beziehung mit dem Thema Eifersucht gar nichts zu tun hat, wird dieser die nonverbale und verbale Sprache des geheimen Mitspielers Eifersucht nicht verstehen. Dann kann es zu Reaktionen kommen, die für das Wachstum dieses unreifen Anteiles wenig förderlich sind. Reagiert der Partner genervt, ungeduldig oder gereizt, löst das beim geheimen Mitspieler Eifersucht Panik aus, die dazu führt, das er ganz viel Sicherheit einfordern muss. Das Einfordern von Sicherheit, kann beim Partner wiederum zu der Reaktion führen, dass er mehr Autonomie für sich fordert, was dann die Panik des unreifen Anteiles am Ende doch verlassen zu werden verstärkt.

Solange diese Interaktionen verdeckt und unbewusst ablaufen, fühlen sich beide Partner gegenüber dem anderen ausgeliefert und hilflos. Denn der Partner, der in der stärkeren Position ist, fragt sich, warum seine Liebe nicht ausreichend ist, das der Partner bzw. die Partnerin ihm bedingungslos vertrauen kann. Er hat vielleicht das Gefühl, auszubluten, immer wieder beweisen zu müssen, dass seine Liebe ehrlich und verlässlich ist. Der Partner, dessen unreifer Anteil durch die Beziehung aktiviert wird, fühlt sich fremdgesteuert und leidet unter seiner minderwertigen Position. Es kann sein, dass er dem Partner insgeheim seine Stärke und Souveränität neidet und sich dafür ihm gegenüber abwertet und schämt.

Wie schützt ein geheimer Mitspieler vor Verletzungen oder vor Ängsten?

Aus welchem Kontext heraus, hat er sich entwickelt? Was ist seine Geschichte?

Die folgenden Fragen können helfen, die Schutzfunktion des geheimen Mitspielers herauszufinden.

Welchen Menschen oder welchem Menschen gegenüber habe ich mich in meiner Kindheit oder Jugend ausgeliefert gefühlt? Gibt es Erinnerungen, konkrete Erlebnisse, die ich nicht verarbeitet habe? Welche Gefühle verbinde ich mit diesen Erinnerungen bzw. Erlebnissen?

Der geheime Mitspieler Eifersucht kann sich aus einer Lebenssituation entwickeln, in der ein Kind von einem emotional wichtigen Menschen nie die Anerkennung oder Bestätigung bekommt, die es sich gerade von diesem Menschen wünscht. Zunächst wird das Kind sich anstrengen und bemühen, die Anerkennung zu bekommen, indem es leistungsorientiert ist oder sich stark anpasst. Wenn all diese Bemühungen nicht wahrgenommen werden oder gar abgewertet werden, resigniert das Kind schließlich, erlebt sich als ungenügend und nicht wertvoll. Die Eifersucht, der Zwang, den Partner zu kontrollieren ist eine Schutzfunktion, um die Angst vor Ablehnung oder Abwertung abzuwehren. Die Kontrolle des Partners gibt vermeintlich die Selbstbestätigung geliebt zu werden und in der Beziehung bestätigt und sicher zu sein. Sie schützt vor dem Schmerz, sich tief im Selbst nicht geliebt zu fühlen und sich selbst nicht lieben zu können. Denn wir brauchen, die Bestätigung der Liebe von emotional wichtigen, nahen Menschen als Kinder, um uns unserer Selbst sicher zu fühlen. Eifersucht schützt zwar vor dem Schmerz über die unerfüllte Bestätigung unseres Selbst durch einen geliebten Menschen in der Kindheit, hält uns aber auch klein und abhängig, im Erwachsenenleben.

Eifersucht ist ein geheimer Mitspieler, der sehr mächtig interagiert. Aus der Biographie lassen sich geheime Mitspieler herausarbeiten, die vielleicht weniger mächtig agieren wie Eifersucht, die eine Partnerschaft jedoch ebenfalls langfristig ermüden können.

Beispiele für weitere geheime Mitspieler und ihre Schutzfunktion

das ängstliche Kind, das alles kontrollieren muss und Verantwortung nicht abgeben kann, weil es die Erfahrung in sich trägt, das ihm sowieso niemand helfen wird.

Die Schutzfunktion ist : Ich möchte nie wieder enttäuscht werden.
Das zwanghafte Kind, das alles kontrollieren muss und das nicht loslassen kann, weil es in seiner Kindheit nicht genügend Vertrauen und Sicherheit aufbauen konnte, das Fehler nicht schlimm sind und Fehler verziehen werden.

Die Schutzfunktion ist : Ich möchte nie wieder gedemütigt und abgewertet werden. das perfektionistische, leistungsorientiert Kind, das das Gefühl hat, nie zu genügen, es empfindet sich wenig liebenswert, hat schnell Schuldgefühle, wenn es jemandem einen Wunsch abschlägt und ein schlechtes Gewissen, für sich etwas einzufordern oder Wünsche auszudrücken.

Die Schutzfunktion ist : Ich möchte mich nie wieder wertlos fühlen.

das trotzig Kind, das aufbraust und keine Kritik annehmen kann, es fühlt sich schnell angegriffen, hört nicht gerne zu und macht letztendlich doch alles alleine und so wie es das möchte

Die Schutzfunktion ist : Ich möchte mich nie wieder klein und ohnmächtig fühlen.

das aggressive, cholerische Kind, es hat viel Gewalt kennengelernt, es ist vielleicht selbst von Gewalterlebnissen betroffen oder hat zuschauen müssen, es hat kein Urvertrauen und wehrt Liebe aggressiv ab, es hat Angst wieder verletzt zu werden und wenn ihm ein Mensch emotional sehr nah kommt, erlebt es diese Nähe als gefährlich und bedrohlich

Die Schutzfunktion ist : Ich möchte niemandem mehr mein Inneres zeigen.

das verschlossene Kind, dass in seinem Leid verstummt, das sich in sich selbst zurückzieht und nicht fähig ist, Verletzungen anzusprechen, es entfremdet sich immer mehr vom Partner durch den emotionalen Rückzug

Die Schutzfunktion ist : Ich möchte niemanden brauchen.

Allen geheimen Mitspielern ist eines gemeinsam: Sie sind emotional relativ klein und von daher fühlen sie sich in einer Partnerschaft nicht gleichwertig. Sie können nicht gleichberechtigt handeln und kooperieren. Da Kooperation, Konfliktfähigheit und Toleranz in einer Partnerschaft, vor allem in einer Familie mit Kindern, in vielen Alltagssituationen erforderlich ist, ist es lohnenswert, nach geheimen Mitspielern zu suchen und diese zu erkennen. Wenn sich bestimmte Konfliktsituationen in immer gleicher Weise wiederholen, die gleichen Worte gebraucht werden, und es trotz Kommunikation und „scheinbar” klärenden Gesprächen keine befriedigende Veränderung gibt, handelt es sich oft um den Einfluss unerkannter geheimer Mitspieler.

Wenn bewusst ist, welche geheimen Mitspieler in der Partnerschaft mitwirken, lassen sich diese steuern. Durch die Bewusstwerdung kann jeder Partner für seinen geheimen Mitspieler die Verantwortung nehmen. Der Partner, der uns durch sein Verhalten am meisten fordert und unterstützt, ist der, der uns die größten Wachstumsmöglichkeiten in Bezug auf eine Klarheit gegenüber uns selbst ermöglicht.

Die therapeutische Arbeit mit dem Konzept der – geheimen Mitspieler – im Paargespräch

Im ersten Gespräch geht es um das Herausarbeiten der nicht lösbaren Konflikte in der Beziehung, die immer wieder ähnliche Streitsituationen entstehen lassen.

In ein oder zwei Einzelgesprächen mit den Partnern wird die Biographie des einzelnen exploriert. Die vertiefte Exploration ist hilfreich, um zu Erkennen, ob es unbewusste Interaktionen unreifer Persönlichkeitsanteile in der Partnerschaft gibt. Welche inneren Anteile könnten das sein? Aus welchem biographischen Kontext haben sie sich entwickelt? Welche Schutzfunktion könnten sie haben?

In einem weiteren Paargespräch wird wechselseitig dem Partner vermittelt bzw. angeboten, welche unbewussten Anteile der Partner hat. Es ist für das Verständnis der Beziehungsdynamik interessant, die unterschiedliche Lebenserfahrung oder Weltsicht aus der Perspektive des „inneren Kindes” der einzelnen Partner gegenüber zu stellen.

Wir gehen häufig von der Einstellung aus, der Partner müsse uns verstehen, unser Verhalten nachvollziehen können, weil wir ihn lieben und glauben, dadurch sei er fähig, das zu leisten. Das ist meines Erachtens eine der Illusionen über die Liebe, die leicht zu Missverständnissen und Kommunikationsproblemen in einer Partnerschaft führen kann.

Ziel der Paargespräche ist die Entwicklung eines respektvollen Raumes mit respektvoller Kommunikation im Umgang mit den unreifen Persönlichkeitsanteilen in der Partnerschaft. Es ist bereits eine große emotionale Entlastung für Streitsituationen, wenn der Partner nicht mit den unreifen Anteilen kämpft und diese bewertet, sondern akzeptiert. Erst dann entsteht die Möglichkeit mit Streitsituationen konstruktiv umzugehen und an einem guten Punkt, eine Grenze zu finden, ohne das Gefühl zu haben, sich dem anderen angepasst oder unterworfen zu haben. Es lassen sich gemeinsam Codeworte oder Gesten entwickeln, die symbolisch verdeutlichen, hier kommt der inzwischen bewusste Mitspieler ins Geschehen.

Wir suchen nicht nur Liebe, Lust, Sicherheit, Anerkennnung und Geborgenheit, sondern im „geheimen” wirkt auch mit, dass wir die Begegnung mit anderen Menschen suchen, um eine Erweiterung unseres Selbst zu erfahren. Das haben wir auch als Kind und Jugendlicher bei unseren Eltern gesucht. Wenn die Eltern nicht fähig waren, uns zu begegnen und einen respektvollen Raum des emotionalen Lernens anzubieten, suchen wir die Wachstumsmöglichkeiten in anderen Beziehungen und in Partnerschaften.

Wenn die Basis in einer Partnerschaft von Liebe und wechselseitiger Wiederwahl der Partner stimmt, ist die Selbstexploration zur Bewusstwerdung geheimer Mitspieler, hilfreich zur Verbesserung der Konfliktfähigkeit und der Offenheit im Umgang mit einer Lebenskrise, in die einer der Partner kommen kann. Sie trägt insgesamt zu mehr Offenheit und Toleranz im Umgang mit den eigenen Schwächen und den Schwächen des Partners bei und bietet dadurch die Möglichkeit eines gemeinsamen Wachstums in einer lebendigen Partnerschaft.

Lesen Sie hierzu auch eine Information zur Buchveröffentlichung
"Warum Liebe Mut erfordert" von Anette Paffrath